Sonntag, 5. Juni 2011

Die ganze Sau

Bei Diane gibt es heute Hähnchenbrustfilets mit mexikanischer Chilischokosauce, deren Schärfe wir mit Caipirinhas löschen. Ja, wir trinken Cocktails zum Essen und Schenny gesteht, dass sie beim Autofahren die ganze Sau rauslässt. Nottie nennt das akademisch Omnipotenz, als auch Brunett und ich zugeben, dass wir alle Höflichkeit vergessen, wenn vor uns so ein blöder Arsch mit seiner Scheißkarre den ganzen Verkehr aufhält. Dass frau als politische Aktivistin eine Limousine voll mit sperrigen Transparenten durch das Auf und Ab weitläufiger Parkhäuser fahren können muss ohne tussimäßig beim Anfahren am Berg aus dem Wagen zu steigen und hilflos mit den Wimpern zu klimpern, hat nie jemand so richtig gewürdigt. Wir stoßen darauf an und das Eis in unseren Gläsern knistert.

Mittwoch, 1. Juni 2011

Biss zum …..

Brunett lädt zum Spargelessen ein und serviert den Klassiker: geschmolzende Butter und kleine gelbe Kartöffelchen, luftgetrockneter Schinken. Beim Anblick der Tischdeko geht uns das Herz auf, zartes Blumenmuster auf den Servietten in blau, filigrane Säulenkerzen im gleichen Ton, Wassergläser wie Zigarettenrauch. Der Spargel ist mithilfe der Gräfin und ihrem untrüglichen Instinkt für den richtigen Moment exakt auf den Punkt gegart, er hat noch Biss und die Bitterstoffe rollen wir feierlich in den Schinken. Diane zeigt Fotos ihres ersten Turns auf der Old Wood, im Hintergrund der blaue Wannseehimmel. Wir wollen alle einmal an die Pinne, sogar Nottie zieht es raus auf das Wasser, obwohl sie sehr beschäftigt ist mit der Veröffentlichung ihren nächsten Bestsellers, Biss zum.… oder wie war genau der Titel?

Freitag, 13. Mai 2011

Mysterium

Nottie garniert den Salat mit Gänseblümchen aus dem ökologisch bewirtschafteten Hausgarten und daher essen wir sie ohne Bedenken, auch die knusprig buttrigen Salbeiblätter auf den Championnudeln und die aromatische Minze im Erdbeer-Orangenmix mit rotem Pfeffer. Weil es seit Wochen nicht geregnet hat, ist es staubig in der Stadt, wir klagen. Auch auf dem Land dürfen keine Feuer gemacht werden, sagt Lars, der Brandmeister, ein Bekannter aus der Provinz. Diane paukt für ihre Funkerinnenprüfung und denkt trotz funken nicht an Feuer. Brunett verbringt ein paar Tage in ihrem Mysterium, wir wissen Bescheid und fragen daher nicht. Die Gräfin und ich freuen uns über die Zusammenkunft über den Dächern  von Berlin, die dann am Ende doch noch in eine antikapitalistische Protestveranstaltung gegen den Zensus mündet. Wir beschließen tapfer, gemeinsam mit der Gräfin die Zelle in der Zwangshaft zu teilen, wenn sie die Auskunft über ihre Besitztümer verweigert.

Samstag, 30. April 2011

Abschied

Der erste Sundowner der Saison auf der Dachterrasse an meinem letzten Abend, alle außer Claire sind da: Nottie serviert Sekt auf ihrem neuen Tisch, Diane macht Fotos mit dem Fernsehturm im Hintergrund, Schenny, Brunett und die Gräfin  prosten mir zu. Ich will nicht sentimental sein, doch mein Herz sinkt. Aufs allerfeinste selbst gebeizter Lachs kommt auf die Vorspeisenteller und die Gräfin versucht uns mit chemischen Erklärungen die Angst vor rohem Fisch zu nehmen, die wir gar nicht haben. Dem Fisch folgt ein Lamm in Ragout und wie es ihre Art ist, bedauert Schenny das arme Tier, nur schwach getröstet davon, dass die Lämmer schon wie Schafe aussehen, wenn sie geschlachtet werden. Schmecken tut es aber köstlich, so zart. Zum großen Finale öffnet Nottie ihren Rumtopf und wir saugen mit leuchtenden Augen den Alkohol aus den Früchten. Zum Abschied schenkt mir meine Kochgruppe ein Kochbuch und einen auf die Ewigkeit ausgestellten Gutschein, bei Besuchen in Berlin zu den Kochgruppenessen zu kommen. Wow, dann ist ja doch noch nicht ganz Schluss. Mit dem Blog. Danke!!

Freitag, 15. April 2011

Locus Comenius

Brunett ist toll. Kaum aus dem Büro heraus, einmal schnell durch den Supermarkt geflitzt, stellt sie ein imposant nach Paprika duftendes Gericht auf den Tisch als hätte sie alle Zeit der Welt gehabt für uns zu kochen.  Die roten und grünen Schoten schmoren in einer würzigen Brühe, darüber dünstet Fisch.  Auch der Spinatsalat sieht aus, als wäre er mit Weile zubereitet, doch es sind Champions, Kürbis- und Pinienkerne. Zwischen zwei Sorten Weißwein auszuwählen ist nicht einfach, aber die Gräfin weiß, dass sie keinen Silvaner will. Und tatsächlich, er ist blass im Abgang, geradezu unscheinbar trotz seiner 13,5 Prozent. Mit weißem Burgunder sind wir auf der sicheren Seite, den Fisch spülen wir glatt runter. Weil Schenny kurzfristig nicht kommen konnte, ist Brunetts Nachbarin da, sozusagen nachgerückt. Sie lacht herzlich und erklärt uns das mit den böhmischen Glaubensflüchtlingen, die sich in Rixdorf im Comeniusgarten versteckt haben. Herausgelockt hat sie die Harfenjule, die mit ihrem Instrument wie der Flötist von Hameln immer eine Schar Kinder hinter sich her zieht, Maiglöckchen im Haar.

Dienstag, 12. April 2011

Kaisergranat

Der Lachs der Gräfin hat die Farbe eines Kaisergranats im Sonnenuntergang. Durchzogen von weißen Linien, die den Fisch charakteristisch machen, ist er außerdem umwickelt von hellem Kraut mit Sauerrahm. Das blasse Püree ist eine Mischung aus Kartoffeln und Sellerie. Ein Traum, den Brunett und ich auch noch zum Nachtisch löffeln, denn jetzt schmeckt es plötzlich süß, wie hat die Gräfin das hingekriegt? Tatsächlich gibt es aber zum Dessert süße marokkanische Orangen mit Minzricotta. Da wundert es mich nicht, dass wir direkt in eine aufgeregte Reiseberichterstattung übergehen: Lissabon, Barcelona, Gozo. Nottie möchte ihren nächsten Geburtstag in Australien feiern, weil sie da noch nie war. Wir stellen fest, dass wir alle noch nie in Australien waren und in unserer geistigen Bratpfanne brutzeln schon Känguruschnitzel, Oppossumfilet und Schlangenspieße. Begeistert plant Diane mit uns den Segeltörn von Sidney nach Hobart, auf dem zwar schon viele Spaßseglerinnen in der tobenden See verlorengegangen sind, aber welche von uns wollte nicht schon immer zehn Meter hohe Wellen hautnah erleben?

Freitag, 18. März 2011

Himmel und Ääd II

Nottie kocht für uns eine  Variante von Erdäpfelpüree und Würstchen, begleitet von süßem und scharfem Senf, Rucolasalat mit Schafskäse und Rumtopffrüchte mit Vanilleeis. Brunett und ich spachteln, denn wir haben angesichts fortlaufender Teammeetings über den ganzen Tag nur Äpfel gegessen, keine Chance davon satt zu werden. Das Püree ist weich, die gebratenen Zwiebeln glasig und die Röstaromen der kleinen Nürnberger bringen uns um den Verstand. Aber nur kurz, denn wie immer diskutieren wir plötzlich hochintellektuelle Themen wie die Absurdität einer Funkerinnenprüfung im digitalen Zeitalter. Diane erklärt uns wie die Funkanlage auf einem Boot funktioniert und wie kompliziert es ist, sie zu bedienen. Im Notfall einfach „HELP“ in das Mikrofon zu brüllen, nützt nichts, denn auch in Seenot muss sich die Seglerin an die Regeln halten.  Hilferufe werden in Englisch und in sprachlich angemessener Näherung an die vermutete Notlage durchgefunkt, da braucht es linguistisches Geschick und die Beherrschung eines Katastrophenvokabulars. An Deck selbst schreien sich alle aber in der Landessprache an, da heißt es neuerdings nicht mehr „Mann über Bord!“, sondern „Person über Bord!“, was wir durchaus für eine Errungenschaft der feministischen Sprachwissenschaft halten. Wahrscheinlich sagt das aber nach der Prüfung niemand mehr und es gehen in der Praxis weiterhin nur Männer über Bord.