Sonntag, 29. August 2010

Landpomeranze

Der Augustkälte zum Trotz grillen wir als wäre es ein lauer Sommerabend marinierte Putenspieße von Neuland. Diane hatte eigentlich Merguez-Würstchen geplant, die gab es aber nicht, weil Neuland dachte, die Leute grillen eh nicht mehr. Auch zu Pute passt der scharfe marokkanische Karottensalat mit Ingwer und viel Knoblauch. Über meinen grünen Routinesalat in der großen Schüssel streue ich gehacktes biologisches Hühnerei. Der Geruch von gekochten Eiern empfängt mich regelmäßig, wenn ich bei irgendwelchen Sitzungen bin und mittags die belegten Brötchen hereingebracht werden. So wie in schwedischen Kriminalromanen immer Käsebrote verzehrt werden, essen wir Deutschen gerne Eierbrötchen. In meist nach Geschlecht getrennten Kleingruppen stehen wir an den kalten Platten und krümeln Eigelb auf den Teppichboden. Ich persönlich esse nie Eierbrötchen, weil die Eier aus dem Catering wahrscheinlich aus der Legebatterie kommen. Die Frauen machen sich dezent darauf aufmerksam, wenn nach der Pause noch ein gelbes Krümelchen im Mundwinkel schimmert. Die Männer sitzen noch Stunden später mit verschmiertem Ei auf der Krawatte. Unsere Putenspieße sind jetzt fertig. Das Gespräch hat sich in Richtung Landpomeranzen bewegt. Ein Begriff, den Wikipedia gestrichen hat, weil er jetzt wahrscheinlich gegen das Antidiskriminierungsgesetz verstößt. Pomeranzen sind dort nur noch Bitterorangen, ok.

Freitag, 27. August 2010

Heimat

Diane und ich machen Quinoaauflauf mit Chilies und Schafskäse, dazu Rote Beete und Grünen Salat. Vorher gibt es eine Hühnersuppe, es ist so kalt. Die Suppe macht friedlich, denn es ist eine Aufregung im Haus, die von einem Einbruch rührt. Geld und Schmuck, die klassische Beute, dazu mit Gewalt aus den Angeln gerissene Türen, aufgebrochene Schränke und demolierte Bücherregale. Am schlimmsten ist der Schock. Wir fühlen uns nicht mehr sicher in den eigenen vier Wänden, fühlen uns bedroht, beobachtet, der Privatsphäre beraubt. Was, wenn sie wiederkommen? Zum Auflauf werden nach einer kurzen Erläuterung Dianes was Quinoa ist verschiedene Abwehrmaßnahmen diskutiert. Es gibt die Natodraht-Verfechterinnen, die Natodraht-Gegnerinnen, es gibt die Videoinstallations- und die Türschlossverstärkerbefürworterinnen. Die  argentinische Tangomusik, bei der wir in Tanzlautstärke und einem karamellfarbenen Sherry das Essen zubereitet haben, wird immer leiser, tritt völlig in den Hintergrund. Doch plötzlich schlägt die Stimmung um, ausgelassene Heiterkeit bricht durch. Gutedel aus der Heimat schimmert gelb in den Gläsern. Diane, die Gräfin und ich kommen aus der gleichen Gegend. Die Erdbeeren duften, sie sind mit Schnaps aus der Heimat aufgemotzt, ungesüßte Schlagsahne dazu und alle lecken sich das Mäulchen. Wir sind sechs heute Abend und der Tango hat gewirkt, auch wenn keine zugehört hat.

Montag, 9. August 2010

Pfundskerl

Der berühmte Prof. Dr. Pudel von der Universität Göttingen vertritt die Ansicht, dass die Ursache von Übergewicht vor allem an den grundsätzlich falschen Essgewohnheiten liegt. Da wir in der Kochgruppe gewohnheitsmäßig und gerne kochen, also auch essen, beschäftigen wir uns natürlich auch mit Hintergrundwissen zum Thema Ernährung. Schließlich sind wir alle Akademikerinnen. Da wäre es blöd, wenn wir den Unterschied zwischen den richtigen und den falschen Kalorien nicht kennen würden. Nottie macht das intuitiv richtig: Sie serviert uns Ratatouille. Schenny bringt einen korrekten Salat mit. Wir trinken Rotkäppchensekt mit Orangensaft, auch daran kann nichts falsch sein. Dr. Pudel hat als Student wahrscheinlich in einer Wohngemeinschaft gewohnt und da hat er seine Theorie entwickelt, quasi im Selbstversuch. Er ist aber nur dick geworden, weil er bis spät in die Nacht den Franz Kafka gelesen und dabei tafelweise Schokolade genascht hat. Seine wissenschaftliche Erkenntnis, dass es wahrscheinlich die Schokolade war, die ihm ernährungstechnisch zum Verhängnis geworden ist, verkauft er jetzt in Büchern mit Titeln wie „Die Pfundskur“. Wir lachen uns schlapp. Ist aber nur der Sekt kombiniert mit der Resthitze auf der Dachterasse, haha!