Samstag, 20. November 2010

Narnia - molekular!

Vermutlich hat Nottie ein heimliches Gewächshaus, denn wo kriegt sie jetzt im November blühende Kapuzinerchen her. Der Feldsalat ist jahreszeitlich angemessen, auch das Walnussbrot, die dicke Möhrensuppe und vor allem die letzten und wohlgesottenen Früchte aus dem legendären Rumtopf– alles frühlingshaft verzaubert mit zarten gelben und orangenen Blüten. Den neuen Rumtopf sticht Nottie in vier Wochen an, Brunett, die Gräfin und ich handeln sie auf drei runter. Dazu soll es blaue Zipfelchen geben, das sind Würste, die in heißem Wasser blau werden. Keine kennt die oder hat schon mal was von denen gehört. Hört sich so an als wären das verwunschene Zwerge oder haben wir es mit molekularer Experimentalküche a la Ferran Adriá zu tun, in der Farben als Kontrapunkt zum Aggregatzustand des Produkts gesetzt werden. Blau suggeriert kalt, die Würste sind aber heiß und das ist dann die Überraschung. Allerdings nur, wenn man das vorher nicht weiß. Rosa Senf könnte uns vielleicht versöhnen. Die Gräfin erwähnt beiläufig, dass sie gezuckerte rosa Rosenblüten im Tiefkühler hat. Brunett und ich schauen uns mit großen Augen an: Wir sind doch ganz normal durch die Eingangstür hereingekommen, nicht durch einen Schrank, oder?

Dienstag, 16. November 2010

Buntbarsch mit Bulgur

Die Gräfin hat schon Weihnachtsplätzchen gebacken, Gutzle sagen sie dazu in der Heimat. Mit Weißwein aus St. Martin schmecken die echt gut. Kokosmakronen, Hildabrötle und Zimtsterne. Das Gen für Backbegeisterung scheint immer eine Generation zu überspringen stellen wir fest. Backen die Mütter, sind die Töchter und Söhne eher zurückhaltend, erst die Enkelinnen finden es wieder toll, dass ihre Oma so schöne Plätzchen macht und eifern ihr nach. Beim Laternenbasteln im Kindergarten haben die Mütter die zweitbesten Rezepte ausgetauscht, die besten bleiben Familiengeheimnis, heutzutage sagen wir Alleinstellungsmerkmal. Aber ich zäume das Pferd von hinten auf - St. Martin lässt grüßen. Also nochmal von vorn: Es riecht orientalisch in der Gräfins Küche. Diane, Brunett und ich schnüffeln in Richtung Ofen, aber der gibt sein Geheimnis nicht preis. Wie sollen wir auch erraten, dass es ein wunderbar lockeres Bulgurpilaw mit in Zitronensaft getränkten Rosinen, ein samtsämiges Lauchcurry in der Farbe goldenen Honigs und in Kräutern gedämpften Buntbarsch aus der Familie der Barschartigen gibt? Den Tipp mit dem richtigen Fisch hat die Gräfin direkt vom Fischhändler – sie sagt ihm die Beilagen, er schließt die Augen, komponiert die Aromen und reicht ihr feierlich das Filet vom Buntbarsch. So geht Einkaufen. Der Rest ist ein Klacks.

Dienstag, 2. November 2010

SAUerkrAUtAuflAUf

Schon mal Sauerkrautauflauf gegessen? Voller Ehrfurcht bewundern wir das mutige Experiment, das Brunett ganz unaufgeregt auf zwei schön bemalte spanische Kacheln stellt. In der irdenen Form knistert noch leise die Hitze. Eine goldene Kruste aus Parmesan und Semmelbrösel. Eine Komposition aus Kraut, Kartoffeln und geräuchertem Speck. Um uns nicht vom köstlichen sauerwürzigen Geschmack abzulenken, reden wir über triviale Angelegenheiten wie die Opferhaltung als aggressive Herausforderung für kreative Macherinnen. Es gibt Macherinnen und es gibt Leidende. Weil die einen den anderen auf die Füße treten. Die einen sagen, was steht ihr auch immer im Weg herum. Die anderen heulen, könnt ihr denn auch mal nichts tun? Wenn sie nichts tun, können sie auch niemandem auf die Füße treten. Heute Abend sind wir in der Mehrzahl Macherinnen und davon überzeugt, dass wir dann nicht nur nichts machen, sondern auch nichts reden dürften, weil wir sonst den empfindlichen Seelen quasi durch den Gehörgang auf die Füße treten würden. Die Köchin kichert und fragt, will noch eine ein Bier? Wir nicken wie alte Stammtischbrüder einmal kurz und Brunett weiß Bescheid.