Mittwoch, 29. September 2010

Büromäuse

Ganz heimelig ist es bei Nottie. Brunett und ich decken als wohlerzogene Töchter aus gutem Hause artig den Tisch und zünden die Kerzen an. Draußen dämmert es schon. Nottie serviert Überraschungssuppe mit Kapuzinerkresseblüten und Kürbiskernöl, ein Fest für unsere geröteten Augen, die den ganzen Tag gebannt auf den flimmernden Rechner gestarrt haben. Büromäuse, das sind wir geworden. Wie war das eigentlich, als unsere Eltern ganz trotzig ihre Schrankwand zertrümmerten, um Platz für Bananenkisten und Holzpaletten zu schaffen. Als sie ihrer bürgerlichen Herkunft den Rücken kehrten, auf harten Futons schliefen und uns Kindern sagten, macht was ihr wollt, was uns völlig überfordert hat. Jetzt, als Erwachsene stehen wir total auf klare Ansagen und strukturierte Tagesabläufe, einen gesaugten Teppichboden und Ordnung im Schrank. Wir haben Das Haus und Schöner Wohnen abonniert, aber natürlich auch das Amnesty-Magazin und Emma. Morgen gehen wir in den neuen Julia-Roberts-Film EAT PRAY LOVE und werden uns vorher noch die phantastischen Reste der Kürbis-Kartoffel-Quittensuppe einverleiben, wenn Nottie sie nicht schon an ihre jungen Freundinnen verfüttert hat.

Mittwoch, 22. September 2010

KabeljAUAUflAUf

Brunett und Schenny kochen in der roten Küche. Brunett überlegt, ob es nicht schöner wäre mit Gemeinschaftsküchen, wo man sich dann ganz zwanglos trifft und einen Wein auf der Eckbank trinkt. Schenny findet die Idee nach jahrelanger WG-Erfahrung nicht so prickelnd und bezogen auf das heutige Fischgericht hätten wir ganz futterneidisch um jedes Häppchen kämpfen müssen, weil ständig irgendwelche Leute fragen würden, ob sie mal naschen dürften und keine von uns würde sich trauen zu sagen hau ab, das ist unser Auflauf. Auf seinem gemütlichen Bett aus Karotten, Lauch und Ananas hat sich der Fisch ausgestreckt, zeigt seine leichte sommerliche Bräune, die in stolzem Kontrast zur sahnigen Soße steht. Warum wir direkt nach dem ersten Bissen über Gewalt reden und die Vor- und Nachteile von Kannibalismus erörtern, liegt vielleicht an der diskreten Einspielung von Element of Crime. Die süffisanten Bemerkungen Schennys über den geschlechtsspezifisch eher untypischen Amoklauf der Anwältin aus Lörrach (aus der Nähe der Heimat) sind von leichter Bewunderung geprägt. Würde nicht gerne jede von uns insgeheim mal so eine Wumme abfeuern, muss ja nicht gleich der eigene Mann sein, kann auch erst mal ein unschuldiges Tier sein, dass wir danach gemeinsam verzehren, schön serviert in einer gusseisernen Form, so schwer, dass frau sie kaum vom Ofen auf den Tisch tragen kann. Ein Kaninchen vielleicht oder ein Reh.


Mittwoch, 15. September 2010

Himmel und Ääd

Nottie überrascht uns mit einer Spezialität und wir liegen ihr schon wegen der Zwiebeldüfte zu Füßen. Das Püree ist aus Äpfeln und Kartoffeln. Der Senf zur Wurst ist scharf. Draußen schüttet es, so als hätte es nicht schon den ganzen letzten Monat geregnet. Wir diskutieren darüber, dass es den Berliner Wasserbetrieben lieber wäre, die Leute würden nicht so sparsam mit dem Wasser umgehen und die Hähne voll aufdrehen, damit die Rohre, die sie zu groß gebaut haben, gut durchgespült werden und sie nicht so viel Geld in die Reinigungsarbeiten stecken müssen, weil sich wegen des wenigen Verbrauchs schnell Rückstände bilden. Was bleibt da eigentlich hängen? Algen? Kaulquappen? Ratten? Ich kann mir das gar nicht so richtig vorstellen und während des Essens will ich das auch gar nicht. Trotzdem verflüchtigt sich dieser Gedanke nicht. Mich würde wirklich mal interessieren, wie so ein kilometerlanges Rohr geputzt wird. Drehen sich da Bürsten à la Waschstraße durch, so kleine ferngesteuerte stachelige  Roboter, die von einem Techniker empfangen werden, der das Zeug dann abwaschen muss? Geht das dann wie bei CSI New York ins Labor, wo es auf tödliche Epidemien untersucht wird? Mann, ich weiß gar nichts über den Alltag eines Berliner Wasseringenieurs! Dabei war doch mein Vater auch Wasseringenieur. Aber in Stromerzeugung, das ist ein völlig anderes Feld. Die schicken das Wasser in einem geschlossenen Kreislauf den Berg hoch und runter und machen daraus Elektrizität. Ist ein ganz anderes Thema.

Samstag, 11. September 2010

La Barbie

Heute könnte das Essen unter dem Motto grün stehen, auch wenn der Lachs lachsfarben ist. Die grüne Soße, ein Mix aus Kräutern, Sardellen, Kapern, Knoblauch und Olivenöl ist der Hammer, eine Explosion auf den Geschmacksnerven, zusammen mit dem scharfen Sherryreis nix für empfindliche Mägen. Aber wir sind keine Zimperliesen und immer für ein Abenteuer gut, ob fischiger oder fleischlicher Art. Schenny kommt direkt aus Mexiko, hat nur eben den Koffer abgestellt und sich dann zu uns gesellt. Wir tauchen ein in die fremde Welt der Kaffeeplantagen, der Kartelle und Klimazonen, die einem den Atem rauben. Der Drogenkrieg vom Süden hat sich nach Mexiko verlagert, Schenny kennt sich gut aus, la Reina del Sur. Sie erzählt von La Barbie, dem Boss der wie die Puppe heißt ihr aber gar nicht ähnlich sieht. Auf zwei schwarzen Pferden sind sie durch seine Ländereien geritten, nee – nur Spaß. Die Narcos, ausgebildet in und eingeschleust aus den Staaten, entführen jetzt Leute und fordern Lösegeld von den Familien. Das übliche Procedere: fließt kein Geld, werden die Leute erschossen und neue geholt. Diane holt den Nachtisch aus dem Kühlschrank, eine grüne Creme, was ist das. Schmeckt wie Banane und Sahne, ist aber Avocado mit Sahne, fett! Die Schnapsfeigen haben eine angenehme Wirkung. Wir fühlen und sicher, und voll.

Dienstag, 7. September 2010

Sunny Solo

Was für ein heimeliges Gefühl: Ich komme nach einem langen Arbeitstag nach Hause und das Essen steht auf dem Tisch. Spaghetti Bolognese und Salat. Der Klassiker. Diane schneidet vorher Zucchini in Längsscheiben und brät sie kräftig an, dazu rührt sie Kartoffeln, Mandeln und Knoblauch zu einem Püree, in dem ich am liebsten ganz langsam versinken will. Der scharfe Geschmack des Knoblauchs scheucht die blöden Bürogedanken aus meinem Kopf, Ruhe jetzt. Nur zu dritt sind wir heute Abend, sitzen schön über den prallen Kastanien, die Sonne versinkt unbemerkt, es war den ganzen Tag düster. Weißwein aus der Heimat, solange der Vorrat reicht. Schenny erzählt von den Preiselbeerenernten ihrer Kindheit. Sie haben einfach alle Beeren, auch die weißen, vom Busch gerupft und die sind dann noch wochenlang nachgereift. Ich kenne Blaubeerenpflücken im Schwarzwald und nachher mit Milch und Zucker auffüllen. Da ich heute eine Sitzung in Mitte habe, hüpfe ich auf dem Rückweg kurz in die Gourmetabteilung von Lafayette und hole eine Reihe Petit Four Minis für den Nachtisch. Dazu trinken wir Quittenschnaps und unterhalten uns über Sütterlinschrift. Dem Gespräch über Sunny Solo kann ich nicht folgen, wer ist Markus Wolf?